Die Zensur von positiven Nachrichten
Singer/Songwriter Christoph Calim schreibt und singt in seinem musikalischen Essay monatlich über ein aktuelles, brisantes Thema der Gesellschaft. Im Text findet eine gedankliche Beleuchtung seiner Beobachtungen statt. Im Song berührt Calim die Gefühlsebene und aktiviert das Herzensverständnis. Sein aktueller Beitrag behandelt die Zensur von positiven Nachrichten …
Ein musikalischer Essay von Christoph Calim
„Bad news are good news“ – der oberste Leitsatz, den wir im Rahmen unseres Journalismus-Studiums eingetrichtert bekommen haben, automatisiert eine Zensur von positiven Nachrichten und zeigt ein Grundproblem unserer Gesellschaft: Wir lassen uns vom Negativen bestimmen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf unsere individuelle Stimmung, sondern blockiert uns in unserer positiven Stärke als menschliches Kollektiv.
Die Lähmung der Gesellschaft
Unser Gehirn hat sich seit der Steinzeit aus der Perspektive der biologischen Evolution des Menschen nicht wesentlich verändert. Damals war der innere, instinktive Alarm für unser Überleben essentiell. Diese Wachsamkeit gegenüber potentiellen Gefahren ist uns bis heute erhalten geblieben. Was einst den Urinstinkt des Selbstschutzes, der Lebenserhaltung aktiviert hat, führt heute dazu, dass wir negative Schlagzeilen aufmerksamer und leichter konsumieren – selbst, wenn davon nicht mehr unser Leben abhängt. Viel mehr sorgt der heutige Massenkonsum von Bad News dafür, dass unser Gemütszustand destruktiv beeinflusst wird und Menschen häufig nicht mehr daran glauben, etwas aktiv aus eigener Kraft heraus an der (Welt-)Situation verändern zu können. Dadurch kommt es zu einer Lähmung der Gesellschaft – die Human Power weicht dem Ausgepowert-Sein.
Die Zensur der positiven Nachrichten
Wer oder was hat uns in diese missliche Lage gebracht? Warum hängen wir durch den Konsum von Informationen unter einer Glocke der permanenten Negativität? Die Entwicklung von der aufgeklärten Informationsgesellschaft zur leicht manipulierbaren Desinformationsgesellschaft ist komplex. Einerseits ist es durch den Aufstieg des unbegrenzten Internets und der schier unendlichen Informationsdichte kaum mehr möglich den Überblick zu behalten. Andererseits befinden wir uns als Menschheit in einer unbewussten Zensur von positiven Nachrichten. Die Gründe dafür sind vielseitig und nicht wie die Inszenierung eines klassischen Hollywood-Blockbusters zu erklären, worin es immer den einen Bösewicht gibt, der in einer übermächtigen Position die Menschen unterdrückt und bewusst manipuliert. Hier ist wohl mehr die Verselbstständigung eines Wohlstands-Systems mit vielen Nebenwirkungen verantwortlich. Der Hauptverursacher dabei ist – wie in so vielen anderen Bereichen – in der zwanghaften Wachstums-Neurose des Turbokapitalismus zu finden.
Die Illusion der Unabhängigkeit
Die finanzielle Abhängigkeit der Medienwelt steht im absoluten Widerspruch zu ihrer so häufig kolportierten Unabhängigkeit. Ganz oben auf der Agenda steht immer die Rentabilität und nicht mehr die Aufklärung. Um hier eine weitere Redewendung hinzuzufügen: „Geld regiert die Welt.“ Der Druck der Wirtschaft lastet auch auf jedem Informationsunternehmen und die Anzeigenabteilungen laufen auf Hochtouren, um das Medien-Zahnrad vor dem Stillstand zu bewahren. Medien sind dadurch längst nicht mehr unabhängig. Doch waren sie es je? Wie auch Politiker, scheinen Journalisten – ganz egal wie integer sie handeln – vorwiegend Schachfiguren in einem Machtspiel der Großkonzerne zu sein. Davor sind auch linksliberale Medien nicht geschützt – denn, selbst wer am Papier frei ist, bewegt sich dennoch in der konkurrierenden Atmosphäre desselben Systems und darin heißt die Divise „Bad news are good news“, um im Informationsüberfluss noch genügend LeserInnen, ZuhörerInnen oder ZuseherInnen zu gewinnen und wirtschaftlich zu überleben. Darin liegt nun die unbewusste Zensur versteckt: Selbst, wenn wir in der westlichen Hemisphäre die theoretische Freiheit haben über alles zu berichten, gibt es in der Praxis keinerlei Garantie, dass wir dies auch tun.
Medien machen Leute
Redakteure befinden sich so in einer herausfordernden Situation. Der Einfluss auf MedienkonsumentInnen und die damit zusammenhängende moralische Verantwortung, die JournalistInnen tragen, ist sehr groß. „Kleider machen Leute“ – eine Redewendung, die Historiker bereits in Erzählungen des 16. Jahrhunderts vorfanden – mutiert in unserem Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts zu „Medien machen Leute“. Nichts beeinflusst uns in unserem Denken und Fühlen so sehr wie Informationen. Die Medienbranche hat die aktuelle Informationshoheit und befindet sich in einem konkurrierenden Wettlauf um die Aufmerksamkeit und Gunst der KonsumentInnen, was zeitweise zu einer propagandaähnlichen Synchronschaltung von identen Inhalten führt. Medienmenschen sind in diesem Spiel die Unheilsüberbringer, die Hiobs-Botschafter, denen wir Menschen blind vertrauen, als wären sie die neuen, unantastbaren Weisen der Gesellschaft.
Wir wissen nicht, dass wir nichts wissen
Um hier Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um die Leugnung negativer Fakten, sondern um ihre einseitige Darstellung sowie den Umstand, dass es gerade einmal 5 Prozent des tatsächlichen Weltgeschehens bis zu den Nachrichtenagenturen schaffen und die RedakteurInnen anschließend aus diesen 5 Prozent auswählen, über was sie wann, wie, wo und mit wem berichten. Das Warum bleibt häufig unausgesprochen unhinterfragt. Die restlichen 95 Prozent verweilen gänzlich unentdeckt – wie nicht einsichtige, unveröffentlichte Dokumente. Unser Weltbild beruht also auf einen lächerlich kleinen Prozentsatz der Geschehnisse auf unserem Planeten. In einer tatsächlich aufgeklärten Gesellschaft müsste dies doch zur einzigen schlüssigen Erkenntnis führen: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Aber genau dieser selbstkritische Ausspruch des Philosophen Sokrates, ist der Menschheit als Kollektiv abhanden gekommen. Niemand scheint mehr zu wissen, dass wir nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Medien suggerieren tagtäglich das Wissen der BürgerInnen auf den neuesten Stand zu bringen und uns lückenlos zu informieren. Eine nicht minder gefährliche Illusion wie die der absoluten Unabhängigkeit. Hinzu kommen Fake News durchströmende soziale Medien, die ebenso monetäre Eigeninteressen verfolgen und Informationen verbreiten, die teils an Absurdität nicht zu überbieten sind und zum neuen Entertainment-Kult unserer Spaßgesellschaft zählen. Das ist zwar für die Pluralität der demokratischen Staaten völlig legitim, trägt allerdings weiter dazu bei die Menschheit in ein unüberschaubares, verwirrendes Informations-Chaos zu stürzen.
Einbildung ist auch eine Bildung
Wo liegt nun das größte Potential all diese Einbildungen (Bad news are good news, Unabhängigkeit der Medien, Weltbild voller unvollständiger Informationen, Fake News, …) aufzuklären und das gefährliche Halbwissen zu Wissen zu transformieren? Ganz genau … im Bildungswesen. Doch erstaunlicherweise werden gerade in der Schule – also an jenem Ort, der Bildung und Aufklärung symbolisiert – diese Ist-Zustände ausgeblendet. Würden unsere Kinder heute gleich von Beginn an Lehrfächer wie „Medientheorie und -Praxis“, „(Des-)Informationsverhalten“, „Umgang mit sozialen Medien“, „Systemaufklärung“, „Quellenrecherche“ etc. besuchen, wären wir schon morgen eine freiere, achtsamere, aufmerksamere und positivere Gesellschaft. Vor allem der Aufruf alles und jeden zu hinterfragen (insbesondere alle Informationen mit denen wir in einem Geschwader technischer Geräte tagtäglich bombardiert werden) und das Erlernen der Fähigkeit eine adäquate Quellen-Recherche vorzunehmen, würde uns weniger manipulierbar machen und die Gesellschaft womöglich in eine andere Dimension der Freiheit katapultieren.
Gesundes Misstrauen vs. ungesunde Gutgläubigkeit
Als menschliches Kollektiv könnten wir dadurch schon mit einem Wimpernschlag das Negative zum Positiven kehren und die Welt zu einem besseren, lebensbejahenderen Ort machen. Wollen wir das in Wahrheit nicht alle – eine Welt ohne Bad News? Um hier noch frei John Lennon zu zitieren: Nennt mich gerne einen Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Mit einem Augenzwinkern sage ich abschließend: Ich misstraue jedem und ganz besonders dem Menschen, denn er ist die einzige Spezies auf dem Planeten Erde, die auf dem besten Weg ist den Lebensraum zu zerstören. Ups … das war jetzt doch noch eine Bad News im Finale dieses ersten von vielen musikalischen Essays, worin ich brisante Themen textlich beleuchte und musikalisch besinge. Ich brauche jedenfalls kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass sich die Welt – wie wir sie kennen – in den kommenden Jahren stark verändern wird. Viel Glück & Good News uns allen!
Der Song zum Essay – ALRIGHT
“Bad news are good news” is the slogan of the world of media. Radio, newspaper, television and online platforms are showing the dark side of our society & human being. But so many good things are happening too. So where is this sunny side? The answer is a song that symbolizes hope and optimism: Christoph CALiM’s new single “Alright” creates a sunny, easy-going atmosphere. The catchy hookline “Alright!” sounds over Latin guitars, a house beat, trombones and trumpets and takes the dance enthusiasm from South America to Europe:
„Someone told me, the world is crazy, he tried to mold me, the life is mazy. Someone told me, sun is not shining. He tried to mold me, all men are lying. Someone told me, no one is good now, but everyone is bad and blind. I said: Change your mind! Let us say – everyday – not everything, but many things are alright!"
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Fotocredit: Guardians of the Earth