Hanf – Eine Medizin ohne Nebenwirkungen?
Die Cannabis-Legalisierung schreitet weltweit seit Jahren voran. Vor allem die USA gilt in der medizinischen Anwendung von Hanf als Vorreiter. Das Cannabinoid CBD erfährt seit Jahren einen Hype als nebenwirkungsfreies Schmerzmittel. Dennoch verhält sich die Politik in den europäischen Ländern noch zurückhaltend – allen voran in Österreich. Wir führten mit dem international tätigen Cannabis-Experten und Unternehmer Andreas Troger ein Gespräch, um die Hanfindustrie näher zu beleuchten und Einblick in aktuelle Rechtslagen sowie potentielle Trends zu bekommen. Ein Blick in die Gegenwart, ein Ausblick in die Zukunft:
Christoph Reicho
Christoph Reicho: Seit der Legalisierung von Hanf in Colorado im Jahr 2014 sind 7 Jahre vergangen. Davor war Marihuana bereits in 20 Bundesstaaten zumindest für medizinische Zwecke legal. Gibt es seither einen spürbaren, positiven Einfluss auf die rechtlichen Entwicklungen in Europa?
Andreas Troger: Auf jeden Fall – Deutschland hat 2017 den medizinischen Einsatz von Cannabisblüten legalisiert. Auch in einigen weiteren Ländern wie zum Beispiel Tschechien oder Polen sind Blüten mittlerweile für medizinische Zwecke verfügbar. Luxemburg legalisiert Cannabis gerade vollständig, also auch für den Freizeitkonsum. Hier hat sich sicherlich einiges getan, allerdings wesentlich langsamer, als wir das vor ein paar Jahren erwartet hatten. Trotzdem deutet alles auf einen liberaleren Umgang mit Cannabis in Europa in den nächsten Jahren hin – auch eine komplette Legalisierung wird sicher noch ein Thema werden.
CR: Mittlerweile ist Marihuana-Konsum in der Freizeit für Personen ab einem Alter von 21 Jahren bereits in 18 der insgesamt 50 US Bundesstaaten legalisiert und in 37 Bundesstaaten ist der Konsum als Arzneimittel erlaubt. Wie sieht die aktuelle Situation innerhalb der EU aus? Und rückblickend auf die vergangenen Jahre, wie ist die Lage in Österreich bzw. welche Entwicklungen gab es seit 2014 konkret?
AT: In Österreich hat sich seit 2014 wenig geändert. Der Staat baut ja bereits seit 2010 Cannabis an und könnte damit eigentlich als internationaler Vorreiter beim Einsatz von Cannabis für medizinische Zwecke gelten. Allerdings werden die Blüten in Österreich nicht direkt den Patienten zugänglich gemacht, sondern sie werden nach Deutschland exportiert und als Cannabisöl verarbeitet. Dieses Öl wird dann in Österreich als Dronabinol auf den Markt gebracht. Allerdings ist der Zugang für Patienten schwierig und teuer. Für Menschen, die Cannabismedizin benötigen würden, ist das sicher keine befriedigende Situation.
CR: Warum, glauben Sie, gibt es zwischen den USA und der EU noch so große Unterschiede in diesem Bereich?
AT: Das war wohl historisch betrachtet schon immer so. Die USA war bei diversen Entwicklungen Europa immer um Jahre voraus. Und auch wenn dieser Abstand sicher geringer geworden ist, ist es nach wie vor so, dass Innovationen in den USA früher am Markt sind.
CR: Welche Schritte können seriöse Cannabis-InvestorInnen innerhalb der EU setzen, um die Legalisierung voranzutreiben?
AT: Da mittlerweile der medizinische Nutzen von Cannabis unbestreitbar ist, gibt es auch eine Lobby für Cannabis. Natürlich spielt auch der Wirtschaftsfaktor eine Rolle. Gerade nach den wirtschaftlichen Einbußen durch die Coronapandemie ist eine Cannabissteuer sicher auch für die Politik ein interessantes Instrument. Ich denke, hier wird sich in den nächsten Jahren sicher noch einiges tun. Investoren beflügeln das Thema natürlich zusätzlich. Auch unser Crowd-Funding mit Hanfgarten, bei dem 2016 rund eine Million Euro von diversen Kleininvestoren gesammelt wurde, hat das Thema Cannabis-Legalisierung voran gebracht. Dabei waren vor allem die mediale Präsenz und die Diskussion, die daraus entstanden ist, wichtig.
CR: Wie stark blockiert der Lobbyismus führender Pharma-Konzerne die Legalisierung in Europa und speziell in Österreich?
AT: Ich weiß nicht, ob es einen solchen Lobbyismus jemals gab. Mittlerweile denke ich eher, dass gerade die Pharmaindustrie das Potential von Cannabis erkannt hat. Die Frage wird sein, in welche Richtung sich das Thema nun entwickelt. Natürlich besteht aber die Gefahr, dass Pharmaunternehmen vorerst eine Legalisierung verhindern wollen, um ihre eigenen Präparate mit Cannabiswirkstoff zu verkaufen.
CR: Ist hier die Politik gefordert aktiv zu werden und unabhängig der wirtschaftlichen Nähe zur Pharmaindustrie Gesetzesänderungen vorzunehmen?
AT: Wir sprechen seit Jahren mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen Parteien in Österreich und es gibt bis auf die FPÖ hier von allen Parteien eine klare Tendenz hin zu einer Liberalisierung im Umgang mit Cannabis. Trotzdem sind Politiker natürlich immer darauf bedacht, keine Wähler zu verschrecken, weshalb speziell in der Vergangenheit wenig zum Thema Cannabis-Legalisierung öffentlich gemacht wurde. Mittlerweile gibt es aber auch in der Bevölkerung mehr Menschen die einer Cannabis-Legalisierung positiv gegenüber stehen. Das wird dazu führen, dass das Thema natürlich auch zum Wahlkampfthema wird – wahrscheinlich werden wir das bereits im Herbst bei der Bundestagswahl in Deutschland erleben.
CR: Wie ist die aktuelle, rechtliche Lage in Österreich – darf Cannabis als Arzneimittel konsumiert werden und mit welchen Auflagen ist dies verbunden?
AT: Aktuell ist in Österreich nur Dronabinol als Cannabismedizin verfügbar. Und das nur mit erheblichen Einschränkungen. CBD hat in den letzten Jahren einen riesigen Hype ausgelöst, weshalb man oft vergisst, dass auch CBD offiziell nicht als Medizin verfügbar ist. Die rechtliche Lage ist hier nach wie vor unklar. Produkte, die auf dem Markt erhältlich sind, sind als Nahrungsergänzung oder teilweise als Kosmetik deklariert. Eine Situation, die sowohl für Patienten als auch für uns als Unternehmer mehr als unbefriedigend ist, da so keine Qualitätskotrollen möglich sind und der Zugang für Patienten erschwert wird, was die Produkte natürlich auch teurer macht, als das der Fall sein müsste. Aber auch hier wird es in den nächsten Jahren wohl klare Regelungen geben.
CR: In welchen Anwendungsgebieten in der Medizin ist Hanf bzw. CBD oder THC besonders gut geeignet?
AT: CBD und THC sind neben hunderten anderen Cannabinoiden Wirkstoffe der Hanfpflanze. Wie diese Wirkstoffe genau zusammenwirken, ist bei vielen Krankheitsbildern noch nicht ausreichend erforscht. Aber speziell bei der Behandlung von Schmerzen, Entzündungskrankheiten oder Spastiken werden sowohl CBD als auch THC bereits erfolgreich eingesetzt. Und CBD hat sich natürlich in den letzten Jahren als sanfter Stressregulator bewährt.
CR: CBD wird als ein sehr effektives Schmerzmittel eingesetzt – angeblich gänzlich ohne Nebenwirkungen. Gibt es dahinter doch noch versteckte Risiken?
AT: Bis jetzt sind keine Nebenwirkungen von CBD Produkten bekannt. Und auch die Nebenwirkungen von THC sind im Vergleich zu anderen konventionellen Medikamenten und Therapien sehr gering. THC birgt aber bei manchen Personen auf jeden Fall das Risiko, bei unsachgemäßer Anwendung, ein Suchtverhalten zu entwickeln. Und das ist auch ein Punkt der für eine Legalisierung spricht, um gefährdete Personen besser schützen zu können.
CR: Auch in der Psychotherapie spielt Marihuana eine gewichtige Rolle. Kürzlich standen sogar Psychedelika wie MDMA in seriösen wissenschaftlichen Publikationen zur Behandlung von u.a. schweren posttraumatischen Belastungsstörungen zur Diskussion. Inwieweit wird sich die Medizin in den kommenden Jahren durch die Legalisierung von Drogen revolutionieren? Geben Sie uns einen Ausblick für das Jahr 2035?
AT: Leider habe ich keine Glaskugel, aber ich gehe davon aus, dass es speziell in der Medizin in den nächsten 15 Jahren bahnbrechende Erkenntnisse und Entwicklungen geben wird. Der Einsatz von Psychedelika in der Medizin mag heute für viele Menschen noch befremdlich erscheinen, hat aber absolut seine Berechtigung. Im Prinzip wiederholt sich hier die Geschichte von Cannabis. Durch Jahrzehnte der Prohibitionspolitik und Falschinformation wurde hier eine Angst geschürt, die eine wissenschaftliche Diskussion über den Einsatz von diversen Substanzen in der Medizin jahrzehntelang unmöglich gemacht hat. Durch die zunehmende Erkenntnis, dass hier viel Falschinformation verbreitet wurde, entstand in den letzten Jahren wieder eine Diskussion frei von Vorurteilen, die den medizinischen Nutzen von diversen Substanzen aufgezeigt hat. Diese Bewegung geht erneut von den USA aus, hat sich aber durch die neuen Medien viel schneller global etabliert. Dies wird wahrscheinlich dazu führen, dass wir 2035 Substanzen in der Medizin einsetzen werden, von denen wir heute nicht einmal träumen würden.
CR: Ihr Unternehmen Hanfgarten ist vorwiegend in Österreich tätig – Sie haben aber auch Anteile an internationalen Firmen – worin liegt Ihr Unternehmensziel für die kommenden fünf Jahre? Welche Produkte, welche Länder und worin sehen Sie das höchste Potential – auch hinsichtlich potentieller InvestorInnen da draußen?
AT: Wir sind mittlerweile auch in Deutschland, Italien und Spanien tätig und planen bereits die Expansion in weitere Länder. Die Ziele für die nächsten fünf Jahre hängen natürlich stark von der rechtlichen Situation ab. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass in fünf Jahren der medizinische Einsatz von Cannabis weltweit legalisiert sein wird – daraus ergibt sich für uns natürlich ein globaler Markt, auf dem wir einer der Vorreiter sind, was uns wiederum interessant für eine Vielzahl an Investoren macht. Wir werden sehen wo die Reise hinführt.
Kurzinfo zur Person:
Andreas Troger hat Journalismus und PR studiert und ist seit 2009 Unternehmer. Nachdem er zuvor das Extremsportmagazin gillout.com betrieben hat, ist er seit 2015 auf das Thema Cannabis spezialisiert und hat mehrere erfolgreiche Unternehmen in diesem Bereich aufgebaut. Neben Hanfgarten, das nach wie vor das erfolgreichste Crowd-Funding-Projekt einer Privatperson in Österreich ist, war er auch Mitgründer des Unternehmens Cannamedical – mittlerweile Marktführer in Deutschland im Bereich Cannabisblüten für den medizinischen Einsatz. Auch die beiden Brands MedCBD, der Pionier in Österreich bei CBD-Ölen in Apotheken und VetCBD, der Martkführer in Österreich bei CBD-Ölen für den Einsatz im Veterinärbereich, stammen von Troger.
Fotocredit: Hanfgarten, Andreas Troger
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